WIE ALLES BEGANN
Die Geschichte unseres Schiffes begann am 14. September 1960 als der Kiel-Schwert Seekreuzer mit der Baunummer 314/1 auf der VEB Yachtwerft Berlin-Köpenick, Betriebsteil Friedrichshagen durch die Tauf- Pionierin Ursula Woditschka auf den Namen „Immer Bereit“ getauft wurde.
Die Geschichte unseres Schiffes begann am 14. September 1960 als der Kiel-Schwert Seekreuzer mit der Baunummer 314/1 auf der VEB Yachtwerft Berlin-Köpenick, Betriebsteil Friedrichshagen durch die Tauf- Pionierin Ursula Woditschka auf den Namen „Immer Bereit“ getauft wurde. Immer Bereit war der Gruß der Jungen Pioniere, der sozialistischen Kinderorganisation der DDR. Das Pionier- Segelschulschiff war nun in Dienst gestellt. Auftraggeber für den Bau waren die SED Bezirksleitung und der Rat des Bezirkes Neubrandenburg. Zum 11. DDR-Geburtstag am 7. Oktober 1960 wurde das Schiff in Waren an der Müritz der Bezirks- Pionierorganisation übergeben und ging im Folgejahr von Ueckermünde aus zur ersten Ostsee-Erprobungsfahrt. Danach erfolgte ein einjähriger Einsatz auf dem Müritz See. Hier kam das Schiff auf Grund seiner Größe und seines Tiefganges schnell an seine Grenzen, so dass der Beschluss gefasst wurde es dauerhaft in Ueckermünde zu stationieren. Die feierliche Übergabe an die Kreispionierorganisation Ueckermünde erfolgte am 7. Oktober 1961. Künftiger Betreiber wurde die Station „Junger Touristen“ Ueckermünde des Pionierhauses Torgelow.
Das Schiff wurde ab Mai 1962 für Tagesfahrten mit Schulklassen eingesetzt. Aber auch längere Ausbildungsfahrten für die Arbeitsgemeinschaften „Junge Matrosen“ , die es an vielen Schulen der DDR gab, wurden absolviert. So war die „Immer Bereit“ jährlich an 170 Tagen unterwegs auf dem Oderhaff, dem Peenestrom, dem Greifswalder Bodden, der DDR-Ostseeküste und später dann auch entlang der polnischen Küste.
In den Folgejahren wurde das Schiff ständig verbessert und baulich weiterentwickelt. Zu nennen wäre der Einbau einer stärkeren Maschine, mit dann 37 PS im Jahr 1964, der Neubau einer größeren Kombüse als Decksaufbau hinter dem Niedergang zum Kartenhaus und damit die Verlegung des Ruderstandes nach achtern, oder das Aufbringen eines neuen Decksbelages im Jahr 1971. 1977 bis 1980 wurde die gesamte E- Anlage erneuert und das Schiff erhielt UKW-Sprechfunk. 1984 wurde die Antriebsanlage mit einem 4- Takt Dieselmotor auf die Leistung von 60 PS gebracht.
Neben ihren zahlreichen Reisen war die „Immer Bereit“ auch Kulisse für den fünfteiligen DDR-Fernsehfilm „Das Mädchen Störtebeker“, welcher 1979 in Ueckermünde, Greifswald, Wolgast und Anklam gedreht wurde. Eine berührende Geschichte über ein Mädchen, welches unbedingt als Nichtschwimmerin in die Mannschaft des Schiffes aufgenommen werden will und bei der neben der damals 12- jährigen Violetta Sudmann, zu der unser Förderverein noch heute Kontakt hält, unser Schiff die Hauptrolle spielte.
Pionier Segelschulschiff „Immer Bereit“ im Jahr 1962
1988 folgten dann mit der Stilllegung wegen baulicher Mängel einige schwarze Monate in der Geschichte der „Immer Bereit“. Sie war nun nicht mehr bereit. Erst ein Schreiben tschechischer Pioniere, mit denen eine langjährige Verbindung sowie ein Ferienaustausch seitens der Station „Junger Touristen“ bestand, an den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, führte dazu, dass im August 1989 auf der VEB Yachtwerft Berlin-Köpenick ein Vertrag zur Generalreparatur unterzeichnet werden konnte. Die Bauwerft des Schiffes war wieder „im Spiel“. Am 30. Oktober 1989 konnte dann die Überführung des Schiffes nach Berlin erfolgen. An der damals dort noch existierenden Staatsgrenze der DDR musste die Überführungsbesatzung am 2. November das Schiff verlassen und konnte erst nach der Durchquerung von Westberlin wieder an Bord gehen. Sieben Tage später wäre das nicht mehr nötig gewesen. Die Grenzen gab es dann nicht mehr. So fuhr dann eine Besatzung der Deutschen Binnenreederei der DDR das Schiff durch Westberlin. Die konnten ja mit ihrem Schifferdienstzeugnis in das kapitalistische Ausland fahren. So war das eben damals.
Nach dem Aufslippen der „Immer Bereit“ erfolgte der Beginn der Generalreparatur im April 1990 mit sehr umfangreichen Arbeiten.
Dann die Währungsunion zum Juli 1990 in Ostdeutschland. Dreihundertzwanzigtausend DDR- Mark sind verbaut – und wie jetzt weiter?? Noch bis Ende August erfolgen Restleistungen. Dann werden die Arbeiten eingestellt und die Besatzung nach Ueckermünde zurück beordert. Das Ende unseres Schiffes??
Hoffnung ist in Sicht als sich die Berliner Wassersport und Service GmbH für das Schiff nebst Touristenstation interessiert und ehrgeizige Um- und Ausbaupläne geschmiedet werden. Wie so oft in den Wirren der Wendezeit wurde daraus jedoch nichts und so erfolgt im August 1991 durch den damaligen Kreisschulrat, Dr. Michael Illig, die Entscheidung das Schiff wieder nach Ueckermünde zu holen. Es deutet sich auch an, dass die Berliner Yachtwerft, wie so viele DDR-Betriebe durch die Treuhandanstalt verkauft werden soll. Das geschieht dann auch im Jahr 1993 aus der Insolvenzmasse heraus. Das ehemaligen Werftgelände ist heute das Wassersportzentrum Berlin GmbH & Co. OHG.
Dann liegt die „Immer Bereit“ bis zum Mai 1993 im Heimathafen. Die Bauarbeiten im Innern des Schiffes können nicht weiter vorgenommen werden, weil die Fördermittel nicht an kommunale Träger ausgereicht werden dürfen. Aber wenigstens die Außenhaut wird im Oktober 1992 mit Mitteln des Jugendamtes Ueckermünde erneuert. Auch der Decksbelag gehört dazu.
Endlich Licht am Ende des Tunnels, denn der Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugendsozialarbeit (bsj) e.V. aus Marburg in Hessen übernimmt ab April 1993 die ehemalige Touristenstation und das dazugehörende Schiff. Die Station heißt ab jetzt Zentrum für Erlebnispädagogik und Umweltbildung (ZERUM). Das ZERUM ist jetzt auch der Betreiber des Schiffes, welches dem Landkreis Vorpommern-Greifswald gehört. Nun fließen auch die Fördermittel und das Schiff erhält eine neue Hauptmaschine, eine neue Wellenanlage und ein Notstromaggregat. Ein kompletter Innenausbau erfolgt dann in der Parnica Werft in Stettin in den Monaten Oktober-November 1993. Im April 1994 folgt dann eine neue Takelage sowie der Einbau von Radar, UKW, Echolot und GPS.
Ein großer Tag für das Schiff ist dann der 4. Mai 1994. In Anwesenheit vom damaligen Ueckermünder Bürgermeister, Peter Westphal, wird das Schiff auf den neuen Namen „Greif von Ueckermünde“ getauft. Seit dieser Zeit ist die „Greif“, wie sie von allen liebevoll genannt wird, von Mai bis Oktober jeden Jahres im Einsatz. Zunächst gibt es eine zweiköpfige Stammbesatzung über das ZERUM, danach wird ab 1996 der Holländer Zweitze Buwe Gall als Schiffsführer eingestellt.
Seit Mai 1998 kümmert sich der Förderverein „Jugendsegelyacht Greif von Ueckermünde“ e.V. mit ehrenamtlichen Schiffsführern und Steuerleuten um das Schiff, pflegt, wartet und fährt es. Diese Besatzungen werden regelmäßig unter Führung des ZERUM aus- und fortgebildet. Sie erwerben Revierkenntnisse, lernen die Segel- und Manövriereigenschaften des Schiffes kennen und befassen sich mit neusten gesetzlichen Bestimmungen.
An ca. 160-180 Tagen im Jahr fahren diese ehrenamtlichen Besatzungen, vorwiegend mit jungen Menschen, auch Kindern und Jugendlichen aus schwierigen sozialen und bildungspolitisch benachteiligten Verhältnissen sowie geistig, körperlich oder mental benachteiligten oder beeinträchtigten Personen und ermöglichen ihnen das Erlebnis Fahrtensegeln auf Haff, Bodden und Ostsee. Menschen also, die dieses Erlebnis sonst nicht hätten. Auch Kinder und Jugendliche aus Schulen, Sportvereinen, Kirchengruppen, Jugendfeuerwehren, Segelvereinen und vielen mehr nutzen unser schönes Schiff. Damit ist auch nach der politischen Wende in der DDR unter großen Anstrengungen der damals Beteiligten an der „Station Junger Touristen“ das Schiff das geblieben was es immer war – ein Schiff für die Jugend das begeistern soll für das Meer, die Natur und das Erlebnis Seefahrt.
Im August 2001 nahm die „Greif von Ueckermünde“ erstmals an der Hjorten Regatta zum Gedenken an die schwedische Postlinie von 1692 bis 1702 von Karlskrona nach Rostock und auch an der Traditionsregatta vor Warnemünde teil und belegte vordere Plätze. Jährlich präsentiert sich das Schiff auch beim größten maritimen Volksfest des Ostseeraumes, der Hanse Sail in Rostock und bei der „kleineren Schwester“ der Haff Sail in Ueckermünde.
Die bislang längsten Reisen führten die Greif in Richtung Nordosten nach Helsinki, Finnland und in Richtung Nordwesten nach Göteborg, Schweden. Seit Juli 2008 versieht eine neue Yanmar- Marinediesel Hauptmaschine mit 75 PS seinen Dienst auf dem Schiff. Diese wurde auf der Hornwerft in Wolgast eingebaut. Im Herbst des gleichen Jahres wurde auch die Wellenanlage erneuert.
Mittlerweile ist die Geschichte weitergegangen. Wir feierten im Jahr 2020 den 60-jährigen Geburtstag des Schiffes. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Auf Initiative des Fördervereins wurde mit Hilfe des ZERUM und großartiger Unterstützung der LEADER LAG „Stettiner Haff“ der komplette Umbau des gesamten Unter-Deck Bereiches realisiert. LEADER ist ein Maßnahmeprogramm der Europäischen Union, mit dem Aktionen im ländlichen Raum gefördert werden. In den Wintermonaten der Jahre 2015/2016 und 2016/2017 wurden alle Räume entkernt und neu aufgebaut. Es wurden in den Kammern bessere Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung geschaffen. Die Kombüse wurde völlig neu gestaltet und erhielt einen größeren Kühlschrank und einen Tiefkühlschrank. Ein neues Stromaggregat wurde im Maschinenraum eingebaut. Im Kartenhaus wurde die Schwertwinde, die nur mit großer körperlicher Kraftanstrengung manuell bedient werden konnte, durch eine elektrische Schwertwinde ersetzt. Da diese Winde in den Ausmaßen nicht so hoch ist wie die alte, konnte der Eingang zur Kombüse um über 20 cm tiefer gelegt werden. So können auch Mitreisende mit körperlicher Behinderung nun ohne Mühe in die Kombüse gelangen. Auch alle Tanks wurden erneuert und teilweise neu angefertigt und beide Masten repariert und neu aufgearbeitet. Auch wurde achtern der Steuerstand völlig neu gestaltet und, wie auch im Kartenhaus, mit elektronischen Kartenplotter versehen.
Damit ist die 60- jährige Geschichte vom Pionier- Segelschulschiff zur Jugendsegelyacht im Jahr 2020 erzählt. Alle die das Schiff fahren sind begeistert von der hochklassigen Qualitätsarbeit der Schiffbauer der Yachtwerft Berlin. Zu nennen wäre auch die ständige Hilfe und technische Unterstützung der Unternehmen Ueckermünder Holzkontor GmbH, Geschäftsbereich UH Maritim und der Yachtwerft Kröslin GmbH. Beide haben wesentlichen Anteil an den Werterhaltungs- und Umbaumaßnahmen des Schiffes. Die Greif hat in 60 Jahren so manchen Sturm überstanden und so manches schwierige Fahrwasser bewältigt. Möge sie auch weiterhin ein Schiff für die Jugend sein und junge Menschen für die Seefahrt und für unser schönes Revier an Haff, Bodden und Ostsee begeistern und möge sie weiterhin den Namen ihrer Heimatstadt Ueckermünde in viele Häfen tragen.
Die „Greif von Ueckermünde“ auf dem Stettiner Haff