Von Jochem Schirp

Mit 74 Jahren ist der ehemalige Leiter des ZERUM in Ueckermünde gestorben.

Neugierde, Offenheit und Leidenschaft: Es waren Tugenden, die unmittelbar ins Auge stachen, wenn man persönlich in Kontakt mit Horst Gollatz trat. Und ohne diese Tugenden und seinen unermüdlichen Einsatz wäre jene pädagogische und maritime Infrastruktur, die sich in der Nachwendezeit mit dem Zentrum für Erlebnispädagogik und Umweltbildung und der „Greif von Ueckermünde“, später dann der „Wappen von Ueckermünde“ etablieren konnte, undenkbar geblieben. Was heute, mehr als 30 Jahre später in der Region als selbstverständlich gilt, drohte in der Nachwendezeit unterzugehen.

Geboren wurde Horst Gollatz 1950 in Mörkerhorst bei Leopoldshagen. Die Seefahrt muss ihn schon sehr früh gepackt haben, und so absolvierte er nach seiner Schulzeit eine Matrosenlehre bei der Handelsschifffahrt, dem VEB Deutsche Seereederei Rostock. Recht bald nach Abschluss der Lehre wurde er 1969 in der Station junger Touristen in Ueckermünde eingestellt. Zunächst war er dort als Bootsmann, ab 1978 – nachdem er die Qualifikation dazu erworben – dann als Schiffsführer auf dem Pionierschiff „Immer Bereit“ tätig, Parallel dazu absolvierte er ein externes Studium zum Horterzieher mit den Schwerpunkten Sport und Schulgarten und schloss dieses 1986 erfolgreich ab.

Als 1992 der Landkreis Ueckermünde beschloss, die Station junger Touristen zu privatisieren, übernahm Horst Gollatz die Initiative, um mit einem neuen Partner, dem bsj Marburg aus Hessen, die baulich wie pädagogisch modernisierungsbedürftige Jugendeinrichtung unter dem Namen ZERUM in die Zukunft zu führen und sie als Stätte der Kinder- und Jugendbildung zu erhalten. Gesichert werden musste zum selben Zeitpunkt aber ebenso der Bestand der „Immer Bereit“, die zum Abschluss einer langen Odyssee wieder ihren Heimathafen am Kamigkrug fand und nach einer grundlegenden Instandsetzung seither unter dem Namen „Greif von Ueckermünde“ firmiert.

Die Aufbauphase war herausfordernd, Ausdauer war gefragt, Netzwerke mussten geknüpft werden. Als Leiter des ZERUM gelang es Horst, unterstützt von seinen Kollegen Rainer Brodhagen und Michael Wiese, einen großen Kreis an ehrenamtlichen Schiffsführern für die Arbeit auf der „Greif“ zu gewinnen. Dies führte 1998 zur Gründung des „Fördervereins Segelyacht Greif von Ueckermünde“. Als Horst Gollatz im Jahr 2013 in den wohlverdienten Ruhestand trat, konnte er auf eine von ihm durch viele Stürme gesteuerte, inklusiv ausgerichtete Jugendhilfeeinrichtung blicken, die nicht nur regional stark verwurzelt war, sondern ebenfalls landes- und bundesweites Renommee genoss. Mit zahlreichen
Modellprojekten im Auftrag des Bundesjugendministeriums, des Landesjugendamtes oder der Bundesstiftung Umwelt hatte das Zerum sich diesen überregionalen Stellenwert erworben.
Zur Aufbauarbeit von Horst Gollatz im ZERUM gehörten insbesondere aber auch der 2005 endlich fertiggestellte Neubau des Bettenhauses am Kamigkrug und 2007 dann die
Indienststellung des ersten Rolliseglers Deutschlands, der „Wappen von Ueckermünde“, einem einzigartigen Vorhaben zu dem ebenfalls ein ungeheuer langer Atem nötig war. Welch
glückliche, visionäre Verbindung zwischen dem unermüdlichen Horst Gollatz und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zerum einerseits und den begeisterungsfähigen Mitstreitern aus dem Förderverein um den tatkräftigen Manfred Rupprecht andererseits.

Viele Etappen dieser reichen Lebensgeschichte können hier nur angedeutet, nicht alle Wegbegleiter namentlich genannt werden. Es waren viele und wer Horst Gollatz persönlich gekannt hat, weiß um seine charismatische Art, erinnert sich an zahlreiche seiner fesselnden Geschichten, denn er war nicht zuletzt ein faszinierender Erzähler, bereicherte mit seinem profunden Wissen über die Vielzahl an Phänomen in der Natur und in der Nautik jeden Segeltörn. Solange es ihm gesundheitlich möglich war, tat er das auch noch über einige Jahre seines Ruhestandes hinweg als ehrenamtlicher Schiffsführer auf der „Wappen“, deren Förderverein er als Vorsitzender über einen langen Zeitraum ebenfalls vorstand. Nun ist Horst Gollatz am 12.Februar gestorben. Weit über  Ueckermünde hinaus hat er sich um die Kinder- und Jugendhilfe verdient gemacht. Mit seinem Lebenswerk, das fortdauert, hat er eine pädagogische Praxis befördert, in deren Zentrum das Element des Wassers und das Medium des Segelns stehen, eine Praxis, die für Kinder und Jugendliche eine unerschöpfliche Quelle von Anregungen zu bieten hat.

Autor: Jochem Schirp, Geschäftsführer des bsj Marburg von 1986-2017